Brief an Kurt Beck

Lieber Kurt,
wir, die Genossinnen und Genossen des Ortsvereins Köln-Südstadt, haben uns auf unseren Vorstandssitzungen im März und April intensiv mit dem Thema "die SPD und die Linkspartei" beschäftigt. Großen Raum hat bei dieser Diskussion leider auch das Verhalten unserer Parteispitze eingenommen.

Eines vorweg: Wir sind maßlos enttäuscht von dem Auftreten unserer Vertreter an der Spitze sowie von der Strategie zum Umgang mit der Linkspartei. Im Parteivorstand scheinen eigene Beschlüsse keine Gültigkeit mehr zu haben. Befragt man drei Spitzenpolitiker der SPD nach ihrer Haltung zur Linkspartei erhält man fünf Antworten. Ein geschlossenes Auftreten sieht anders aus. Und das, wo doch jeder von euch den wichtigen Grundsatz der Gremienarbeit kennt: Gestritten wird hinter der Tür, nach außen herrscht Geschlossenheit!

War unsere Partei im Oktober 2007 nach dem Hamburger Parteitag mit der Verabschiedung des neuen Grundsatzprogramms und klaren Voten für das politische Handeln z. B. beim Thema Bahnprivatisierung noch gut aufgestellt, so ist es heute schwierig vor sich selbst zu erklären, warum man in dieser Partei eigentlich aktiv ist.

Schaut man sich die SPD an – eine Partei, die in Umfragen gerade einmal 23 Prozent erringen kann – dann fragt man sich:
Was ist passiert? Antworten aus unserer Ortsvereinsdiskussion:

  • Wir verraten diejenigen, von denen wir erwarten,
    dass sie uns wählen.

    Unsere Politik belastet gerade sie am meisten
    (z.B.Mehrwertsteuererhöhung, Pendlerpauschale,
    Eigenheimzulage).
  • Wir nehmen die Sorge breiter Bevölkerungsteile
    vor einem sozialen Abstieg nicht ernst,
    haben
    keine Ideen und Konzepte, dieser Angst zu
    begegnen. Eine Einzelmaßnahme wie die
    Verlängerung des ALG II für ältere
    Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hilft da nicht
    weiter.
  • Die strategische Diskussion über die Abgrenzung
    zur Linkspartei hat viel Kraft innerhalb der SPD
    gebunden und nach außen ein unglaubliches Bild
    der Zerstrittenheit
    hinterlassen.

    Was aus unserer Sicht jetzt zu tun ist
    Wir müssen den Menschen klar aufzeigen, wofür wir stehen: Uns für die Einführung des Mindestlohns stark machen, mehr in die Bereiche Bildung und Forschung investieren, Familien gute Angebote an Kinderbetreuung bieten und ein klares Programm entwickeln, das die aus dem Gleichgewicht geratene soziale Gerechtigkeit in Deutschland wieder ins Lot bringt.

    Das ist vor allem für uns an der Basis von elementarer Bedeutung. In Köln, einer Stadt, in der 2009 drei wichtige Wahlen (Europa, Kommunal und Bundestag) anstehen, brauchen wir gute Inhalte, um einen engagierten Wahlkampf machen zu können. Nur so können wir unsere eigenen Leute dazu motivieren, mit uns auf die Straße zu gehen und für ein gutes Ergebnis der Sozialdemokratie zu kämpfen.

    Der Parteiratsbeschluss zur Linkspartei ist richtig.
    Und nur so, davon sind wir zutiefst überzeugt, kann eine Abgrenzung zur Linkspartei erfolgreich funktionieren: über Inhalte. Ob wir dann nach Wahlen darüber nachdenken müssen, ob für uns eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei in frage kommt, halten wir in der Tat für eine sehr lokale Entscheidung. Denn Hand aufs Herz: Was wisst ihr in Berlin über die Linkspartei und ihre führenden Köpfe in Köln? Da sind dann wir, die Genossinnen und Genossen vor Ort gefragt, Verantwortung zu übernehmen. Eine grundsätzliche Stigmatisierung von Bündnissen mit der Linkspartei hat keinen Wert, insofern ist der einmütige Beschluss von Bundesvorstand und Parteirat richtig.

    Über eine Antwort zu unserem Schreiben, lieber Kurt, würden wir uns sehr freuen.

    Mit sozialdemokratischen Grüßen
    Dein Ortsverein Köln-Südstadt

    gez. Karl-Heinz Walter (Vorsitzender) und
    Bianca Fornoff (stellv. Vorsitzende)