Sigmar Gabriel zur Piratenpartei

"Bei zwei aufeinanderfolgenden Wahlen ist eine neue Partei in die Landesparlamente gewählt worden – und viele Politiker und manche Journalisten schnappen nach Luft. Geht das denn? Dürfen die das? Und wo soll das hinführen?

Manches an den Piraten nervt: Die Schnoddrigkeit, mit der sich einige von ihnen zur Avantgarde erklären – und alle anderen zu Relikten aus der Vergangenheit. Manches an den Piraten ist ärgerlich. Etwa die Ignoranz gegenüber der Lebensrealität von Menschen, die sich nicht den ganzen Tag im Internet bewegen, auch der Umgang mit Extremisten in den eigenen Reihen.
Aber manches ist eben auch belebend für das Parteiensystem – beispielsweise die Betonung von Teilhabe und Transparenz.

Ich empfehle der SPD Gelassenheit. Wir sollten die Piraten nicht größer machen als sie sind – sie sind weder eine Gefahr für das christliche Abendland noch für den bürgerlichen Rechtsstaat. Wir sollten sie aber auch nicht kleiner machen: Die Piraten sind nicht die Kinder der im Bundestag vertretenen Parteien. Mich jedenfalls hat es immer genervt, wenn mir empfohlen wurde, ich solle doch erst mal erwachsen werden.

Wir suchen kein Rezept gegen die Piraten. Ihnen hinterherzulaufen ist genauso müßig wie sie zu verteufeln. Wir werden schlicht über die Themen reden, die für die SPD wichtig sind: über die soziale und kulturelle Spaltung in unserem Land, die wir endlich wieder bekämpfen müssen. Über gleichen Lohn für gleiche Arbeit – für Frauen und Männer ebenso wie für Festangestellte und Zeit- und Leiharbeitnehmer. Über bezahlbaren Wohnraum für junge Familien, ausreichend Kinderbetreuung, Ganztagsschulen und Bildung, die nichts kosten darf außer Anstrengung. Über faire Steuern und Beiträge, bei denen die, denen es besonders gut geht, auch mehr leisten müssen als die, die es schwerer haben im Leben. Über eine sichere Altersversorgung und einen guten und für alle Menschen bezahlbaren Gesundheitsschutz und eine menschenwürdige Pflege. Über die Energiewende und den Klimaschutz. Das ist das soziale Profil der SPD. Und es soll wieder das soziale Profil unseres Landes werden. Wir sind sicher: dafür gibt es in unserer Gesellschaft eine breite Mehrheit. Und nur mit einer starken SPD wird aus dieser gesellschaftlichen Mehrheit auch eine politische Gestaltungsmehrheit werden.

Und wenn die Piraten trotzdem gewählt werden? Dann werden sie ihren Wählern irgendwann erklären müssen, ob sie Politik auch gestalten, oder nur kommentieren wollen. Die Antwort kann ihnen aber nicht der Vorsitzende der SPD abnehmen."